Hörsaal – Präsentation 113. Oktober (16:30 – 18:00)

Eröffnungsvortrag “Embodiment und seine Verbindung zur Körperpsychotherapie”
mit Ilse Schmidt Zimmermann und Frank Röhricht

Verkörperung in einer ent-Körperten Gesellschaft

Der Titel des Kongresses, wie ich ihn verstehe, ruft nicht nur nach einer körperpsychotherapeutische Perspektive sondern auch nach einer soziologischen, und dies beinhaltet ein politisches Verständnis unseres Berufes
Ich vertrete die Hypothese dass Entkörperung nahe verwandt ist mit Begriffen die in der Soziologie, Sozialpsychologie und Sozialphilosophie als Entfremdung und Verdinglichung (Reifikation) diskutiert werden. Gestützt auf die soziologische Analyse des Spätkapitalismus und Postmodernismus, wird Entfremdung nicht nur als ein Prozess beschrieben, sondern auch als ein Zustand, in dem eines Menschen Inbesitznahme des eigenen Lebens verhindert oder erschwert ist. Diese Verhinderung kann sich auf unseren eigenen Körper ausdehnen, auf die Produkte und Vorgänge unserer Arbeit, darauf, wer und was wir sind und was wir wollen. Wir können dann den Verlust dieser Eigentümerschaft, den Verlust der Beziehung zu uns selbst, als Verlust der Beziehung zu der Welt sehen. Wenn das Gefühl, ein bedeutsamer Teil der Welt zu sein, verschwindet, hinterlässt es das Gefühl, ein Objekt, ein Ding zu sein.
In diesem Vortrag werde ich die Folgen der Divergenz zwischen Selbstverwirklichung und Entfremdung diskutieren. Der Verlust unsere Beziehung zu uns Selbst und zur Welt hat tiefgreifende Konsequenzen. In unserem Beruf sind manche offensichtlich: Burnout, Erschöpfungsdepressionen, Angstzustände, chronische Schmerzzustände, um nur einige zu nennen. Im Sinne von Autoren wie Elin Thunmann (Uppsala) und Ulrich Bröckling (Freiburg) kann z.B. Burnout nie nur ein individuelles Leiden sein. Sondern ist immer eine gesellschaftliche Pathologie. Ein Patient mit Burnout ist deshalb nie nur ein medizinisch oder psychologischer Fall sondern vor allem auch eine gesellschaftliche Figur.

Ilse Zimmermann

Ilse Schmidt Zimmermann
Studium der Soziologie, Psychologie und Erziehungswissenschaften in Frankfurt am Main,
Psychologische Psychotherapeutin, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, war von 1999 bis 2002 Präsidentin der European Association for Body Psychotherapy (EABP). Ausbildungshintergrund: Unitive Körperpsychotherapie, Gestalttherapie, gruppenanalytische und tiefenpsychologisch fundierte Therapie sowie Weiterbildungen in Bioenergetik und Formativer Psychologie bei Stanley Keleman. Sie ist Leiterin des deutschen Ausbildungsprogramms in Unitiver Körperpsychotherapie und Dozentin, Supervisorin und Lehrtherapeutin für tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie.

“Mis-bodiment” und der soziale “wir-zentrierte” Raum – Körperpsychotherapie als eine Therapie der affektiven Körperregulation

In meinem Vortrag werde ich mich auf Körper-bezogene oder auf ihn gegründete Regulationssysteme konzentrieren mit besonderer Betonung der Affektregulierung und deren Bedeutung für die beiden eng verbundenen Aspekte von Selbstregulation und der Regulation des Seins mit Anderen in sozialen Zusammenhängen.

In der Auseinandersetzung mit dem Thema der Konferenz und mittels Fokussierung auf psychotherapeutische Aspekte, werde ich Fragen einführen, die sich mit “Mental Dis-Ease” als Variation allgemeiner sozialer (inter-körperlicher) Regulationsmuster befassen. Dabei werde ich Muster von “Mis-bodiment” aufzeigen, Verkörperung als selbstverständlich / nicht verhandelbar voraussetzend und “Dis-embodiment” beschreiben als eine Tatsache von Leben und Tod.

Der Organismus strebt ständig nach Entwicklung, Kognitionen führen zu Handlungen und Gefühle sind anpassungsfähige Antworten auf Umweltveränderungen. Gefühle versorgen uns mit Kernfunktionen für diese Regulationsprozesse, sie helfen uns dabei, verschiedene Aspekte der Physiologie, der Kognition, des Verhaltens und der Motivation auf eine Art und Weise anzupassen, die unsere Fähigkeit fördert, unsere Bedürfnisse zu erfüllen und mit herausfordernden Situationen umzugehen. Erfahrungsbasierte Therapien betonen deshalb die Wichtigkeit von Prozessen der Affektregulation.

Auf dieser Basis können Interventionen in der Körperpsychotherapie am besten beschrieben werden als strukturierte Unterstützungswerkzeuge, um sich Schwierigkeiten zu widmen, die aus unter- oder überregulierten Anpassungsmustern resultieren. Hier entwickelt sich “Dis-Ease” als Konsequenz von chronischer Exposition und aufgrund erfolgloser Versuche, feindselige Reize oder soziale Belastungen zu eliminieren, auszuhalten oder zu isolieren. An diesem Punkt entwickeln sich oft habituelle, verkörperte Antwort-Muster und verhindern das Ausprobieren neuer Strategien.

Wir können daher Muster von mangelnder Anpassungsfähigkeit identifizieren und sie beschreiben aus einer Perspektive des verkörperten Wissens als “Mis-Embodiment” und dementsprechend unsere körperpsychotherapeutischen Interventionsstrategien entwickeln. Dies unterscheidet sich von einer allgemein definierten störungsspezifischen Herangehensweise, da sie über das bloße Beschreiben von Phänomenen hinausgehen. Wesentlich ist, dass in diesem Ansatz die KPT den Ausgangspunkt für das therapeutische Verfahren aus den phänomenologischen Mustern der Verkörperung ableitet und deren weitreichenden Auswirkungen auf das Wohlbefinden, die Selbst-Effizienz und die soziale Interaktion berücksichtigt.

Frank-Rohricht

Professor Frank Röhricht (FR), MD FRCPsych.
Beratender Psychiater (MD, FRCPsych); Körperpsychotherapeut; Honorarprofessor Centre for Psychoanalytic Studies, University of Essex und Honorarprofessor der Psychiatrie St. George’s Medical School, University of Nicosia / Cyprus.
Frank Röhricht hat einen MD Hochschulabschluss, Staatsexamen in Medizin (Freie Universität Berlin, Deutschland; MBBS equivalent, 1990); ist Fellow of the Royal College of Psychiatrists UK und ausgebildet in Psychosomatischer Medizin, Neurologie und Psychiatrie; er ist ein von dem Europäischen Verband für Körperpsychotherapie (EABP) zertifizierter (training 1983-1987) Integrativer Körperpsychotherapeut.

Er hat 25 Jahre Berufserfahrung als Arzt in verschiedenen Feldern der Medizin (einschließlich der Familienmedizin ) und ist seit 1997 als Beratender Psychiater in London für das Nationale Gesundheitsamt( NHS) tätig. Über 13 Jahre leitete er die Bereiche Dienstleistungsentwicklung , Klinische Governance und Erbringung von Dienstleistungen im Bereich psychischer Gesundheit für Erwachsene in Ost London; im November 2013 wurde er in seiner neuen Rolle ernannt, als Stellvertretender Medizinischer Direktor für Forschung und Innovation.

Er ist Mitglied des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin (DKPM), Mitglied des Wissenschafts- und Forschungsausschusses des Europäischen Verbandes für Körperpsychotherapie / EABP; ist Schirmherr der Vereinigung für Tanz – Psychotherapie UK.

Mit zahlreichen Publikationen und durch kontinuierliche Forschungstätigkeit, ist Frank Röhricht einer der führenden Forscher auf dem internationalen Feld der Phänomenologie des Körperbildes und der Körperpsychotherapie bei Psychischen Störungen; andere Forschungstätigkeit: Transkulturelle Psychiatrie, Selbstzerstörerisches Verhalten und seine chronischen Auswirkungen, Evaluation von Dienstleistungen, nicht zugelassene Verschreibung.
Frank Röhricht ist Bücherautor und hat umfassend in international anerkannten
Zeitschriften publiziert. (Veröffentlichungen- Liste und Downloads: www.frankrohricht.com); er ist erfahren in der Supervision von Doktorarbeiten und Doktoranten/Studenten- Projekten und ist Gutachter in zahlreichen wissenschaftlichen Zeitschriften. Ihm sind Forschungsstipendien gewährt worden sowohl als Hauptforscher, als auch als Co-Bewerber.

Email: frank.rohricht@elft.nhs.uk
Home page: www.frankrohricht.com