Hörsaal – Präsentation 3 14. Oktober (09:30 – 11:00)

“Die Psychopathologie der Ent- Körperung (Dissoziation) und die Wiederverbindung durch die Mobilisierung des Körpers”
mit Genovino Ferri und Maxine Sheets Johnstone

“Embodied Mind”, “Enactive Mind” und “Trait Mind”…
Psychotherapie heute – der Körper, Neurowissenschaften und Psychopathologie

Gedanken über:

  1. Subjektivität, Intersubjektivität, Interkorporeität, Ontogenese und Spiegelneuronen.
    Intersubjektivität ist ein in der Psychoanalyse wohlbekanntes Phänomen und auch Fachleuten vertraut, die eine evolutionäre Perspektive der Affektivität vertreten. Was bedeutet es, wenn wir in diese Welt den Körper einführen?
  2. Die verkörperte Psyche, die enaktive Psyche, die charakeristische Psyche.
    Gregory Bateson (1972) betrachtete die Abgrenzung zwischen Geist und Gehirn als sinnlos und postulierte das Konzept der Verkörperten Psyche. Kognitive Prozesse können nicht aufs Gehirn beschränkt bleiben, weil sie in Verbindung mit dem Körper gebildet werden und durch den ganzen Körper beeinflusst werden. Varela, Thompson und Rosch (1990) haben die Verkörperte, Enaktive Psyche vorgeschlagen.
    Im Gegensatz zur Idee der Kognition basierend auf geistigen Repräsentationen postulieren die verkörperten und enaktiven Ansätze die sensomotorische Vebindung zwischen dem Organismus und seiner Umwelt als das Element, das dem
    Denken zugrunde liegt: die Fähigkeit, die Wirklichkeit durch kontinuierliche Bewegungsaktivität wahrzunehmen. Als Fortsetzung dieser außerordentlichen Forschungsrichtung wird das neue Konzept der charakteristischen Psyche vorgeschlagen, das Ontogenese neu ordnet als Folge von Stadium – Objektbeziehung – Körperebene –Charakteristika, und das eine dreidimensionale Orientierungshilfe bietet für die Reise durch Komplexität und dadurch gutangepasste Interventionen in der Psychotherapie erleichtert.
  3. Zwei aktive Zutaten in Psychotherapie und Psychopathologie.
    1. Therapeutische Verkörperte Simulation, welche notwendig ist um in die Nähe von spezifischen Mustern der zwischenmenschlichen Beziehungen zu gelangen und diese zu modifizieren. Diese Modifikation kann so in der Gegenwart geschehen und Muster, die aus der Lebensgeschichte der Person in der Vergangenheit stammen, verändern.
    2. Therapeutische Verkörperte Aktivation, die notwendig ist um die Erfahrung der Person zu modifizieren und um neue Erfahrungen klar zu kennzeichnen.
Genovino Ferri

Genovino Ferri ist Psychiater und Reichianischer Analytiker, ausgebildet in Reichianischer Analyse von Federico Navarro.
Er ist Leiter der Italienischen Schule für Reichianische Analyse (S.I.A.R). Kürzlich gründete er eine Sozialpsychotherapeutische Klinik namens “Studio Analyse”.
Ferner ist er Mitglied der New Yorker Academy of Sciences, Mitglied des International Scientific Committees (ISC) für Körperpsychotherapie sowie internationaler Ausbilder für Reichianische Analyse.
Er leitet Ausbildungen für Supervisoren in Europa und Südamerika.
Während seiner beruflichen Laufbahn hat er über mehrere Jahre als Leiter der psychiatrischen Abteilung am Atri Krankenhaus in Italien gearbeitet sowie im Dienst für Psychotherapie von Asli Teramo mitgewirkt.
Er arbeitet selbstständig als Psychiater – Psychotherapeut.
Außerdem ist er Vorsitzender der Italienischen Gesellschaft für Psychotherapie und Redaktionsdirektor des Magazins CorporalMente, das im Verlag Alpes Editore erscheint.
Er ist Autor des Buches Psicopatologia e Carattere, L’Analisi Reichiana: La psicoanalisinel Corpo ed il Corpo in psicoanalisi (Verlag Alpes, Rom 2012), das sowohl in Portugiesisch als auch in griechischer Sprache übersetzt wurde.
E-mail address: genovino.ferri@gmail.com siar@analisi-reichiana.it

Warum Kinästhesie, Taktilität und Affektivität wichtig sind

Wir sind hier im Land von Aristoteles. Als dieser ‘De Anima’ – Von der Seele – schrieb, schrieb er da über eine verkörperte Seele? Nein. Er schrieb unter anderem ‘Ohne Berührung kann kein Tier leben’. Als der Englische Schriftsteller D. H. Lawrence schrieb ‘Wir sollten Tanzen vor Entzücken darüber, dass wir lebendig sind und Teil sind des lebenden, Fleisch gewordenen Kosmos’, sprach er da von einem verkörperten Selbst? Nein. Er schrieb unter anderem auch ‘Dass ich Teil der Erde bin, wissen meine Füsse sehr wohl’
Als Leonardo da Vinci über seine Erfahrung in der Öffnung einer grossen Höhle schrieb ‘ich wurde plötzlich von zwei Dingen ergriffen, Angst und Sehnsucht. Angst vor der dunklen, gefährlichen Höhle, und Sehnsucht zu sehen, ob da etwas Wunderbares darin sei’, war er da eingebettet in der Welt, und war die Höhle ein Teil seines ausgedehnten Geistes? Nein. Er fasste sein Gefühl von Angst und Ehrfurcht in Worte.
Wenn wir strampelnd, um uns schlagend, schreiend oder wie auch immer zur Welt kommen, sind wir da ‘enaktiv’? Nein. Wir bewegen uns. Wir sind beseelte Wesen, die nicht einfach leben, sondern erleben, berühren, uns bewegen.
Wenn unsere Gesellschaft entkörpert ist, ist das bestimmt zum Teil weil die Technologien die Wirklichkeit, ein Körper zu sein, überholt haben, zum teil weil die reduktionistischen Wissenschaften Erfahrung auf Gehirnprozesse reduzieren und das Gehirn als Quelle von Urteilen, Wissen und Können aller Arten identifizieren, und zu einem grossen Teil auch weil wir in der Begeisterung fürs Verpacken und Beschriften mit speziellen E-Wörtern -embodied, enactive, embedded, extended mind- den taktil-kinästhetischen, affektiven Körper überschaut oder vergessen haben mitsamt seiner qualitativen dynamischen Wirklichkeit.

frameMaxinne Sheets Johnstone

Maxine Sheets-Johnstone erhielt ihren B.A. in Französisch mit Nebenfach in Vergleichender Literatur von der University of California at Berkeley, ihren M.A. in Tanz, und ihren Doktor in Tanz und Philosophie von der University of Wisconsin at Madison. Sie hat ein unvollständiges zweites Doktorat in Evolutionsbiologie von der selben Universität.
In ihrem ersten Leben war sie Tänzerin/Choreografin, und Professorin und Wissenschaftlerin für Tanz. Während ihrer Jahre des Tanzunterrichts in Tanzstudio und Hörsaal hat sie 25 Tänze choreografiert, ist in 13 davon aufgetreten, war künsterische Leiterin von 5 Konzerten inklusive zwei abendfüllenden Konzerten ihrer eigenen Werke, und hat zahlreiche Vorträge/Demonstrationen selbst organisiert, geleitet und aufgeführt.
In ihrem gegenwärtigen zweiten Leben ist sie Philosophin, deren Forschung und Publikationen in den existenziellen und evolutionären Grundlagen des beseelten Lebens verwurzelt sind. Als unabhängige und interdisziplinäre Wissenschaftlerin ist sie mit dem Department of Philosophy an der University of Oregon verbunden, wo sie periodisch in den neunziger Jahen gelehrt hat und wo sie gegenwärtig eine nominelle Professorenstelle hat. Sie hat nahezu 80 Artikel in humanwissenschaftlichen, naturwissenschaftlichen und Kunstjournalen publiziert und hat Bücher herausgegeben.
Ihre Buchpublikationen schliessen: The Phenomenology of Dance; Illuminating Dance: Philosophical Explorations; the “roots” trilogy: The Roots of Thinking, The Roots of Power: Animate Form and Gendered Bodies, and The Roots of Morality; Giving the Body Its Due; The Primacy of Movement; The Corporeal Turn: An Interdisciplinary Reader; Putting Movement Into Your Life: A Beyond Fitness Primer; Insides and Outsides: Interdisciplinary Perspectives on Animate Nature. Zwei Bücher wurden für Buchpreise nominiert: The Roots of Power: Animate Form and Gendered Bodies wurde vom Anthropologen Ashley Montagu für einen Anisfield-Wolf Book Award nominiert; The Roots of Morality wurde vom Psychiater E. James Lieberman für einen Behavioral Sciences Book Award nominiert.
Sheets-Johnstone hat im Jahr 2007 ein Distinguished Fellowship erhalten für ihre Forschung über Xenophobie im ersten Jahr des Institute of Advanced Study an der Durham University (England) zum Thema ‘Das Erbe von Charles Darwin’.
Sie bekam einen Alumni Achievement Award, University of Wisconsin (Madison), School of Education, Department of Dance, im April 2011. Im Jahr 2012 wurde sie geehrt mit einer Scholar’s Session am Treffen der Society for Phenomenology and Existential Philosophy.